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Was vor Corona ineffektiv war, ist es immer noch

Viele der schon vor-Corona-Zeiten ineffektiven, zeitfressenden und oft ergebnislosen Meetings haben wir nun 1:1 remote. Immerhin hatte man vor-Corona noch die Zeit, von einem Meetingraum zum nächsten zu eilen und hastig ein Brot zu essen, eben noch ein Hallo beim Kollegen durch die Tür zu rufen und ein wie-gehts der Kollegin am Fahrstuhl zuzuwinken.

Bei vielen Firmen bleiben nicht mal die berühmten fünf Minuten zwischen Meeting und Meeting.

Natürlich hat der Lockdown ein rasches Handeln notwendig gemacht und was war sinnfälliger, als in die digitale Welt von Videokonferenzen auszuweichen und die Mitarbeiterschaft in das sichere Home-Office zu schicken.

Erfahrungen mit Home Office

Mittlerweile haben wir Erfahrungen mit Home-Office, Home-Schooling, Hybridveranstaltungen etc. Noch immer sind wir nicht viel besser geworden im Führen von Remote-Teams, der Betreuung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home-Office, wenngleich der Markt sich gefüllt hat mit Büchern und Ratgebern.

Remote geführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen selbstverständlich eine gut funktionierende technische Ausstattung. Ohne diese nützt die beste Führung nur halb so viel. Remote-Führung bedeutet, klare, konstruktive Arbeitsaufgaben sowie einen guten fachlich-sozialen support seitens der Führung zu geben. Und zwar kontinuierlich, verlässlich, kurz, klar, wertschätzend.

Neue Herrschaftsansprüche?

Es braucht Disziplin seitens der Führung und der Mitarbeiterschaft. Und es braucht Eigenverantwortung und das Vertrauen der Führung in die Eigenverantwortung der Remote-Teams und jedes Einzelnen. Wir erleben gerade eine Rückkehr zum Herrschaftsanspruch und zur Allwissenheit, also wissen zu wollen, was die Mitarbeiterin gerade macht, wie lange sie am Rechner sitzt, arbeitet sie tatsächlich oder ist er nur eingeschaltet. Nicht wenige Firmen weltweit holen genau aus diesen Gründen ihre Mitarbeiterschaft in die Büros zurück.

Wie wollen wir in virtuellen Welten arbeiten?

Wir scheinen einfach so weiter zu machen. Strukturen optimieren, noch mehr organisieren, bessere IT-Verbindungen, zugleich den Mangel verwalten - viel weiter sind wir in den letzten Monaten nicht gekommen. Da täuscht uns auch die Nutzung von Chat-Bots nicht drüber hinweg, im Gegenteil.

Stop!

Wir haben die Zeit vor dem Bildschirm optimiert, wir bewegen uns mit Sauseschritten in eine formale Kommunikation, die Menschlichkeit fällt aus dem Bildschirm heraus, der Kitt, der uns alle als Menschen zusammenhält bröckelt und bröselt auf den Schreibtisch.

Es wird Zeit zu fragen: Wie wollen wir miteinander umgehen? Was wollen wir lernen? Was wollen wir ändern?

Welche Kompetenzen benötigen wir, um sinnvolle virtuelle Arbeits-Welten zu errichten? Menschsein bedeutet nicht, die bessere (Skype-)Maschine zu werden oder sich von JasperKI die Reden schreiben zu lassen.

Emotionale Bindungen gehen vom Menschen aus!

Wir müssen uns viel bewusster werden, dass der Mensch als soziales Wesen Empathie und emotionale Bindungen benötigt. Das benötigen wir auch in der digitalen Welt. Der Bildschirm oder die leeren schwarzen Kacheln (weil die Kameras ausgeschaltet sind) erzeugen keine Empathie oder Emotion. Robotern ist es egal, wie ausgepowert wir sind. Wir als Menschen müssen auf uns achten und Empathie und Menschlichkeit herstellen.

Emotionale Bindungen gehen vom Menschen aus, nicht von der Maschine. Das ist es, was uns und vor allem den Führungskräften klar werden muss beim remote führen.

Welche Zeiten benötigen wir für gesunde, sinnvolle Online-Sitzungen? Wann erreiche ich mit Video gute Ergebnisse, wann ist telefonieren besser für soziale Bindungen? Wie spreche ich die Stillen an? Wie komme ich mit denen ins Gespräch, die vorher schon still waren und "ihr Ding" gemacht haben?

Welche Themen sind wichtig? Welche Meetings sind relevant? Welche gehören abgeschafft und gehörten vorher bereits abgeschafft, weil ineffektiv?

Wann ist es gut und richtig und wichtig, sich zu treffen, einen Spaziergang zu machen, sich draußen im Park zu treffen oder im Innenhof der Firma? Wann muss ich wieder den Kitt zwischen uns herstellen, damit wir nicht wegdriften und uns egal werden?

Demokratie und Mitbestimmung?

Muss alles so werden und bleiben im Umgang mit uns Menschen, wie in der realen Welt? Wie können wir Entscheidungen herbeiführen? Wie Demokratie und Mitbestimmung sicherstellen?

Wie erreichen wir die Kolleginnen und Mitarbeiter, die hinter den Kacheln verschwinden? Müssen wir sie erreichen? Ist es nicht auch ein Glück, den herrschaftlichen Monolog bequem auf dem Sofa zu ertragen, Videokamera ausgeschaltet, Ton leise. Ach, ich hatte keine Netzverbindung mehr, abends ist hier oft schlechte Verbindung. Tut mir leid. Gab es noch etwas Wichtiges, das ich wissen muss?

Aber das ist es alles nicht.

Menschsein bedeutet, sich mit allen Sinnen - oder den meisten Sinnen - wahrzunehmen. Die Bindungen an unsere Werte, an die Kolleginnen und Kollegen, an die Firma, an die Kultur des Miteinander - die verlieren wir mit der Zeit, wenn wir uns nur remote sehen resp. hören.

Der andere rutscht uns weg, die Firma, die Gespräche zwischen Tür und Angel, das kurze Hallo, das Lächeln, ja das Wissen, die Kollegin ist da, ich brauche nur die Tür zu öffnen und sie um Rat zu fragen, das schafft ein Etwas zwischen uns, das remote nicht herzustellen ist.

"Da Alles, was den Menschen bewegt, in seine Sprache übergeht, so muss man wohl die Stärke und Eigenthümlichkeit der Empfindungsweise und des Charakters im Leben überhaupt von der intellectuellen Richtung und der Neigung zu Ideen unterscheiden." Humboldt, Wilhelm von: Über die Sprache. Tübingen 1994, S. 120.

Wir sind es, allen voran die Führungskräfte, die über all der schönen Effizienz und Effektivität Empfindung und Intellekt nicht vergessen dürfen.

Sonst finden wir uns in einigen wenigen Jahren in unverbindlichen lose herunterhängenden Fäden wieder, die den Namen von Netzwerk und Gemeinschaft, von Kultur, Entwicklung und Miteinander nicht verdienen.


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